Die Stadt­boden­stiftung: Ein zivil­gesellschaft­licher Bodenfond für Berlin als Teil der Community Land Trust Bewegung
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Berlin braucht einen starken gemeinnützigen und kollektiven Gegenpol zur Spekulation mit dem Boden der Stadt. Die Idee: Eine demokratisch organisierte Stadtbodenstiftung soll, inspiriert vom Modell des „Community Land Trust“ (CLT), einen anderen Umgang mit Eigentum beispielhaft umsetzen und der von Kapitalinteressen forcierten Spekulation Grund und Boden dauerhaft entziehen. Eine zivilgesellschaftliche Initiative verfolgt, zunächst mit Unterstützung des Bezirkamts Friedrichshain-Kreuzberg, mittlerweile auch mit einer Projektförderung des Landes Berlin, seit zwei Jahren konsequent diesen Plan. Mit der Etablierung einer Bürgerstiftung soll ein neuer Akteur gemeinwohlorientierter Stadtentwicklung institutionalisiert werden. Die Stiftung wird gemeinsam mit unterschiedlichsten Partnern, von Genossenschaften über Nachbarschaftsinitiativen bis hin zu ethischen Banken, bestehende Immobilien sichern und neue Projekte umsetzen. Sobald die gemeinnützige Bodenstiftung de jure realisiert ist, gilt ihr Angebot für den gesamten Stadtraum und das Berliner Umland. Ein „Mit-Mach-Angebot“ an die Stadtgesellschaft. Projekte initiieren, Nachbarschaften stärken, durch eine breite Mobilisierung von Ressourcen wahrnehmbare Zeichen einer solidarischen Stadtentwicklung setzen.

Den selbst­organisierten, gemein­­wohl­­orientierten Initiativen in Berlin, wurden der „Boden unter den Füßen weggezogen“. Wir gründen die Stadt­­boden­­stiftung als Gegen­­bewegung sowie als Lern- und Bildung­s­projekt!

Michael LaFond, Vorsitzender Kuratorium SBS

Mehr als 140.000 Euro sind von 120 überzeugten Stifter*innen als Anfangsvermögen einer rechtsfähigen Stiftung bereits zugesagt. Die Satzung steht. Ein Kuratorium von 9 Personen mit unterschiedlichen Expertisen und Erfahrungshintergründen in wohn- und stadtpolitischen Fragen und zwei Vorstände der zukünftigen Stiftung sind gewählt. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen hat Zuwendungen für Bildungs- und Aufbauarbeit im Rahmen der Gründung zugesichert. Finanzamt und Stiftungsaufsicht haben bereits die vorliegende Satzung vorgeprüft. Nach erfolgter Gründung, voraussichtlich Anfang 2021, kann die Stadtbodenstiftung in Berlin als erster hiesiger Community Land Trust starten. Für Deutschland ist das eine Neuheit, international betrachtet sind CLTs aber schon vielerorts ein erfolgreich praktiziertes Modell. Was aber macht die Etablierung von Community Land Trusts für zivilgesellschaftliche Anliegen in der Wohnungsfrage so von Bedeutung und unterstützenswert?

Über den Boden zu solidarischeren Städten

SHICC-CLT-Vergleich
©SHICC

CLTs sind ein nicht gewinnorientiertes Eigentumsmodell, mit dem Immobilien dem Markt entzogen werden, um Menschen mit erschwertem Zugang zu Wohnraum diesen dauerhaft günstig zur Verfügung zu stellen. Aber auch gewerbliche, soziale und kulturelle Nutzungen – beispielsweise Nachbarschaftszentren, Gewerbehöfe und Gemeinschaftsgärten – können mit der Abkopplung von Immobilien vom Marktgeschehen geschützt bzw. neu aufgebaut werden. In den 1970er Jahren im Kontext der Bürgerrechtsbewegung in den USA entstanden, gibt es mittlerweile hunderte von CLTs, vor allem in den USA und Großbritannien. Aber auch auf dem europäischen Kontinent verbreitetet sich dieser Ansatz zunehmend. Beispielsweise gibt es in Brüssel,  Lille, und London, erfolgreiche und stetig wachsende CLTs. Das Interreg-EU-Programm SHICC „Sustainable Housing for Inclusive and Cohesive Cities” will das CLT-Modell in Nord-West- Europa weiter stärken. Seit 2020 beteiligt sich auch die „Initiative Stadtbodenstiftung“ mit dem Partner id22 eV am SHICC-Programm und steht im internationalen Erfahrungsaustausch mit Akteuren etablierter CLTs. Eines der Ergebnisse könnte ein Förderprogramm für CLTs durch die European Investment Bank sein

Wir werden Boden als Gemein­gut vergesell­schaften, um für die Nachbar­schaften wichtige Orte zu sichern und alternative Möglich­keiten zu schaffen.

André Sacharow, Vorstand SBS
©SBS

Unabhängig von den international sehr unterschiedlichen rechtlichen Bedingungen haben alle CLTs eine strukturelle Gemeinsamkeit: das Eigentum an Grund und Boden wird vom Recht der Nutzung der Bausubstanz oder sonstiger Infrastruktur getrennt. Zwar erwerben die künftigen Nutzer*innen in der Regel die baulichen Strukturen, das darunter liegende Land verbleibt jedoch im Eigentum des Trusts und wird von diesem mittels eines langfristigen, in der Regel auf 99 Jahre angelegten Erbbaurechtsvertrags an die Nutzer*innen bzw. Hausvereine oder Genossenschaften, verpachtet. Dieses Prinzip wird die Stadtbodenstiftung mit der Anwendung des hiesigen Erbbaurechts auch praktizieren.

Organisations- und Selbstverwaltungsstruktur

©SBS

Mit der Stadt­boden­stiftung wollen wir Möglich­keiten der Mit­bestim­mung über städtischen Boden und seine Nutzungen aufzeigen, die auch für staatliches und Verwaltungs­handeln, wie den kommunalen Bodenfonds, Beispiele liefern können.

Sabine Horlitz, Vorstand SBS

Die Einbeziehung der Nachbarschaft in die Organisationsstruktur ist ebenso wie die Vergabe von Nutzungen über das Erbbaurecht ein zentrales Element des CLT-Modells. CLTs sind lokale, nachbarschaftliche „community-based“ Organisationen mit einer offenen Mitgliedschaft. Konkret heißt das: Alle Menschen, die in dem vom CLT als Nachbarschaft beziehungsweise „Community“ im geografischen Sinn definierten Gebiet wohnen, können stimmberechtigte Mitglieder werden. Diese Mitsprachemöglichkeit der Nachbarschaft unterscheidet die Stadtbodenstiftung von existierenden gemeinnützigen Bodenstiftungen, aber auch von selbstorganisierten Wohnprojekten, wie z.B. kleinen Genossenschaften und dem Mietshäuser Syndikat. Bei der Kooperation z.B. mit Genossenschaften können CLTs auf diese Weise die Mitsprache der Bewohner*innen durch eine Beteiligung nachbarschaftlichen und stadtgesellschaftlichen Vertreter*innen ergänzen. Das ist eine Form von Verwaltung, die das kollektive Verständnis von Grund und Boden, das für das CLT-Modell so wichtig ist, reflektiert und auch als Form der Vergesellschaftung begriffen werden kann.

Ziele der Stadtbodenstiftung:

  • Entscheidungen über die Nutzung von Boden und den sich darauf befindlichen Gebäuden und ihren Nutzungen zu demokratisieren
  • Grundstücke dauerhaft der Verwertung am Markt zu entziehen und in gemeinwohlorientierte Bewirtschaftung zu überführen
  • das Recht auf Wohnen für Menschen mit erschwertem Zugang zu Wohnraum zu ermöglichen
  • Räume für nachbarschaftsbezogenes Kleingewerbe, für Kultur und soziale Projekte zu schützen und bereitzustellen
  • für eine sozial gerechte, diskriminierungsfreie und ökologische Stadt einzutreten
  • Selbstverwaltung in Hausgemeinschaften und Nachbarschaften zu fördern
  • stadtpolitische Relevanz zu erhalten und aktiv in die Stadtentwicklung einzugreifen